Ist die Libra Coin eine Bedrohung für Banken?

29.08.19

Facebook-Kryptowährung: Ist die Libra Coin eine Bedrohung für die Banken?

Mitte Juni hat Facebook erste Informationen über sein eigenes Kryptowährungsprojekt veröffentlicht. Das Konsortium Libra Association hat derzeit rund 30 Partner, darunter  Paypal, Mastercard, Visa, Spotify und Uber. 100 Partner sollen es einmal sein. Ziel ist es, eine Blockchain-ähnliche Infrastruktur bereitzustellen, die es ermöglicht, weltweit Zahlungen schnell, einfach und kostengünstig abzuwickeln.

Anders als beim Bitcoin, der große Preisschwankungen zeigt, soll Libra eine stabile Währung sein. Dies soll durch eine 100%-Deckung durch Finanzanlagen, den sog. Libra-Reserven, erreicht werden. Libra wird jedoch nicht an den Dollar oder an eine andere traditionelle Währung gekoppelt sein, sondern an einen diffusen Korb aus Finanzanlagen (v.a. Währungen und Staatsanleihen).

Das Projekt hat das Potenzial, Transaktionskosten – vor allem für grenzüberschreitende Transaktionen für Millionen von Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern – deutlich zu senken. Diese Gebühren entsprechen in bestimmten Gegenden der Welt derzeit oftmals 10 Prozent des Transaktionsvolumens. Dem Whitepaper zufolge sind derzeit 1,7 Milliarden Erwachsene weltweit ganz oder teilweise vom Finanzsystem ausgeschlossen. Diese Menschen haben oftmals keine Möglichkeit, effizient Überweisungen zu tätigen oder - etwa wegen der lokalen Inflation - Werte für die Zukunft sicher aufzubewahren. 1,7 Milliarden Erwachsene - das entspricht ca. 30 Prozent der Weltbevölkerung. Zwei Drittel davon besitzen jedoch Mobiltelefone mit Internetzugang. Diese würden wie eine Geldbörse eingesetzt, um Libra aufzubewahren und Zahlungen durchzuführen.

Für den Fall, dass Libra bei Facebook selbst, aber auch bei Whatsapp, Instagram, Visa, Mastercard® - welche alle bereits jetzt zum Konsortium gehören - eingesetzt würde, wäre in kurzer Zeit eine sehr hohe, weltweite Reichweite möglich: Quasi über Nacht würden hunderte Millionen Menschen zu Libra-Nutzern. Es wäre davon auszugehen, dass Libra in Kürze zu den weltweit wichtigsten Handelswährungen zählen würde. Die 100%-Deckung hätte zum Ergebnis, dass einige hundert Milliarden Dollar an eben diesen Währungen und Staatsanleihen gekauft werden müssten. Mithin würde Libra zügig zu einem sehr bedeutenden Käufer von Staatsanleihen.

Das Ziel, hunderten Millionen Menschen Finanzdienstleistungen zu ermöglichen (“financial inclusion”), steht auch bei wichtigen Institutionen wie den Vereinten Nationen oder der Weltbank auf der Prioritätenliste. Würde Libra dieses Ziel erreichen - und sei es durch eine Initiative von gewinnorientierten Unternehmen - wäre dies grundsätzlich positiv einzuschätzen. Allerdings gibt es erhebliche Risiken: Facebook ist kein Musterschüler in Sachen Datenschutz und Briefgeheimnis. Schwerer wiegt jedoch der Umstand, dass die Governance der Libra Association und insbesondere die Entscheidungsfindung zur Zusammensetzung der Libra-Reserve bis heute unklar sind. Am kritischsten ist jedoch das Risiko, dass der Initiator Facebook mit den Konsortiumsmitgliedern folgende drei Dinge miteinander verschränkt: Daten, Personenidentitäten und Zahlungsverkehr. Es sind genau  diese Risiken, die derzeit zurecht vielfach Widerstand und Skepsis erzeugen. Regierungen, Finanzmarktaufsichten und Zentralbanken sollten daher exakt prüfen, unter welchen Bedingungen Libra die erforderlichen Lizenzen für den Betrieb erhält. Dann kann Libra - bei allem derzeitigen Wehklagen - ein sehr beeindruckendes Vorhaben werden, was die Finanzbranche verändern wird und die Welt verändern kann.

Einfluss auf den Finanzsektor

Banken in Deutschland und Europa wären kurzfristig durch Libra nicht in Gefahr. Der Grund ist, dass hierzulande der Euro die gesetzliche Währung ist. Kurzfristig scheint es unvorstellbar, dass Libra - als diffuser Korb von Finanzanlagen - etwa auf Rechnungen oder in der Buchhaltung verwendet wird.

Allerdings: Deutschland tätigt internationalen Handel in erheblichem Volumen und zwar naturgemäß in diversen Währungen, allen voran in Dollar. Würde etwas dagegen sprechen, dass etwa Aldi, wenn Bananen aus Ecuador importiert werden, diese Bananen in Libra bezahlt? Der Libra-Betrag wäre binnen Millisekunden nach Ecuador transferiert - ein Prozess, der heute Tage dauert. All dies ist möglicherweise Spekulation. Aber gänzlich ausgeschlossen wäre es nicht, dass Libra mittelfristig für einen Teil des Außenhandels eine gewisse Bedeutung erlangen würde. Dieses Geschäft würde dann Banken entzogen werden.

Ein anderer Aspekt betrifft die technische Basis: die Blockchain-Technologie. Diese wird in den kommenden Jahren die Finanz- und Bankenszene sehr stark verändern. Es ist davon auszugehen, dass früher oder später etwa auch der Euro, aber auch Aktien und andere Wertpapiere, auf Blockchain-Systemen notieren werden. In Banken und vor allem bei 500.000 Mitarbeitern im deutschen Finanzsektor ist dies mehrheitlich nicht bekannt. Das ist durchaus bedauerlich, da gerade im Bereich Blockchain heute zahlreiche Geschäftschancen existieren - das Projekt Libra eingeschlossen. Wer hier nun nicht beherzt agiert, ist in wenigen Jahren mit den Risiken konfrontiert. Dann  wird man machtlos zusehen müssen, wie Margen und Umsätze schrumpfen.

Kurzum heißt dies: digitale Transformation. Auch wenn dieser Begriff in vielen Häusern Schrecken und Widerstand auslöst, muss die digitale Transformation mit Verve angepackt werden, denn: Technologischer Fortschritt war noch nie und digitaler Wandel ist nicht aufzuhalten. Packen wir’s an!

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der Börsenzeitung vom 05.07.2019 erschienen.

Philipp Sandner 
leitet an der Frankfurt School of Finance & Management das Frankfurt School Blockchain Center (FSBC), welches im Februar 2017 initiiert wurde. 2018 führte ihn die FAZ als einen der Top-30-Ökonomen Deutschlands auf. Weiterhin gehört er laut dem Magazin Capital zu den „Top 40 unter 40“.

Jonas Groß
ist Project Manager und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Frankfurt School Blockchain Center (FSBC). Seine Interessengebiete sind vor allem Kryptowährungen und digitale Zentralbankwährungen.

Felix Bekemeier
ist Project Manager und wissenschaftlicher Mitarbeiter des Frankfurt School Blockchain Center (FSBC). Zu seinen Interessen gehören die mikroökonomische Analyse des Agentenverhalten in DLT-Netzwerken sowie die Identifizierung von Anwendungsmöglichkeiten der Blockchain-Technologie.

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