Wenn das Geld schmilzt: Inflation – was ist das?

17.12.21

Wenn das Geld schmilzt: Inflation – was ist das?

Wildtier des Jahres 2022 ist der Gewöhnliche Schweinswal, eines der Worte des Jahres könnte – neben Corona und Klimakrise – „Inflation“ werden. In Deutschland war im November 2021 die Teuerungsrate so hoch wie lange nicht. Alles über ein fast vergessenes monetäres Phänomen.

Jahrelang war Inflation in Deutschland kein Thema – jetzt schon: Im November 2021 ist die Inflation auf den höchsten Stand seit fast 30 Jahren gestiegen. Gegenüber dem Vorjahresmonat legten die Verbraucherpreise um 5,2 Prozent zu, teilte jüngst das Statistische Bundesamt (Destatis) mit. Das Statistische Bundesamt in Wiesbaden bietet amtliche statistische Informationen an und ermittelt die Verbraucherpreisindizes (VPI) für Deutschland. In den USA waren die Verbraucherpreise im November sogar um 6,8 Prozent im Jahresvergleich gestiegen. Die Teuerungsrate erreichte damit den höchsten Wert seit 40 Jahren. US-Präsident Joe Biden hatte zuvor abgewiegelt und gesagt: die Novemberzahlen „spiegeln weder die heutige Realität wider, noch reflektierten sie die zu erwartenden Preisrückgänge in den kommenden Wochen und Monaten.“

Aber was steckt hinter Begriffen wie Inflation, wie werden Verbraucherpreisindizes ermittelt und warum schauen Banken bei Letzteren ganz genau hin? Mehr dazu in unseren FAQ rund ums Thema Inflation.

1. Was ist Inflation?

Mit Inflation wird die Geldentwertung, also das Absinken des Geldwertes, bezeichnet. Verbraucher:innen und Unternehmen bemerken diese Entwertung durch ein Ansteigen des Preisniveaus für Endprodukte wie Konsumgüter – dazu zählen Nahrungsmittel, Kleider oder Möbel – oder Investitionsgüter wie zum Beispiel Bürogebäude oder Maschinen. Kurz gesagt: Alles wird teurer. Der Verbraucherpreisindex bildet die Preisentwicklung für die privaten Verbrauchsausgaben ab. Bei einer Steigerung des Indexes zeigt er die aktuelle Höhe der Inflation an. Der Verbraucherpreisindex wird vom Statistischen Bundesamt mithilfe eines „Warenkorbes“ ermittelt, der mit 650 Güterarten bestückt ist. Seit 1997 berechnet das Statistische Bundesamt einen harmonisierten Verbraucherpreisindex, der Messfehler des „normalen“ Index ausbessert. Die Veränderungsrate des VPI wird umgangssprachlich Inflationsrate oder Teuerungsrate genannt.

2. Warum ist die Inflationsrate wichtig?

Die Inflationsrate ist nicht nur ein Indikator für die Wirtschaft, sondern insbesondere ein Maßstab für die Geldwertentwicklung. Politik und Zentralbanken nutzen den Index als Entscheidungsgrundlage. „Aber auch in Verträgen werden Verbraucherpreisindizes oft verwendet, um langfristig laufende Zahlungen wie Mieten oder Unterhaltszahlungen anzupassen.“, erläutert das Statistische Bundesamt.

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3. Deflation oder Inflation: Was ist für die Wirtschaft schlimmer?

Sinkt der Verbraucherpreisindex langfristig, spricht man von Deflation. Und auch wenn die Angst vor Inflation momentan groß ist, sind die Folgen einer Deflation teilweise sogar schlimmer für eine Volkswirtschaft, so Christian Klein von GeVestor.de: Sie verhindert Wirtschaftswachstum und es kommt zu einer Rezession.

4. Was sorgt für die hohen Inflationsraten in Deutschland?

Ob an der Tankstelle, bei den Heizkosten oder auf dem Wochenmarkt: Die Preise steigen und steigen. Für die hohen Inflationsraten seit Juli 2021 verantwortlich sind laut Statista Research Department unter anderem Basiseffekte, die auf die coronabedingte Senkung der Mehrwertsteuer vor einem Jahr und den damit einhergehenden sinkenden Preisen bei vielen Gütern zurückzuführen sind. „Im Vergleich zum Vorjahr sind zudem die Preise für Mineralölprodukte und andere energieerzeugende Rohstoffe stark gestiegen“, heißt es weiter.

5. Inflation = weniger Einkommen?

Ebbe auf dem Konto und gefühlt ein Loch im Geldbeutel. Viele Deutsche verlieren ganz real Einkommen, zumindest für Arbeitnehmer mit Tariflöhnen gilt das, hat das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung herausgefunden. Die Tariflöhne steigen 2021 im Schnitt um 1,7 Prozent. Bei voraussichtlich rund drei Prozent Jahresinflation sinkt das Einkommen preisbereinigt deutlich auf im Schnitt 1,4 Prozent weniger realer Lohn – abgemildert wird dieser Effekt allerdings durch die vielfach gezahlten Corona-Prämien, so die Expert:innen. Die WSI-Berechnung erfasst nur die 20 Millionen Arbeitnehmer:innen, die Tariflohn erhalten. Wer nicht nach einem von den Gewerkschaften ausgehandelten Tarif bezahl wird, verdient oft weniger – und dürfte von der Inflation härter getroffen werden.

6. Was ist mit der „gefühlten Inflation“?

Im gemessenen Warenkorb des Statistischen Bundesamtes (s.o.) liegen zwar zahlreiche Produkte des täglichen Bedarfs, aber auch Immobilien, Smartphones oder Pkw. Eine Preissteigerung fällt bei kleinen Artikeln wie Butter, Brot oder Eiern überwiegend im 10-Cent-Bereich aus und damit mit einem Preisanstieg um deutlich mehr als 2 Prozent. Gleichzeitig werden diese Waren des täglichen Bedarfs, wie der Name schon sagt, häufiger gekauft als zum Beispiel Waschmaschinen oder Autos, so dass Herr und Frau Mustermann beim täglichen Einkauf eine höhere Inflationsrate „fühlen“.

7. Was bedeutet Hyperinflation?

Die momentane Aufregung in Deutschland über eine hohe Inflationsrate wirkt beim Blick zurück fast putzig. Zwischen 1914 und 1923 kam es in Deutschland erst zur Inflation und dann sogar zur Hyperinflation. Zur Erklärung: Wenn die Preise jeden Monat im Schnitt um 50 Prozent und mehr steigen, sprechen Wirtschaftsexperten von einer Hyperinflation (S. 40, laut Definition von P.D.Cagan). Mit Kriegsbeginn 1914 wurden Reichs­bank­no­ten nicht mehr in Gold ein­ge­löst. Die Banknoten konn­ten auch durch Staats­schuld­pa­pie­re ge­deckt wer­den. An­statt die Kriegs­kos­ten durch hö­he­re Steu­ern zu fi­nan­zie­ren, ver­schul­de­te sich der Staat bei der Be­völ­ke­rung – und mehr und mehr bei der Reichs­bank. Diese brachte im Ge­gen­zug immer mehr Bank­no­ten in Um­lauf. Bei Kriegs­en­de 1918 kämpfte die deut­sche Re­gie­rung mit riesigen finanziellen Problemen. Am 1. Januar dieses Jahres lag die Preissteigerung bei 7.400 Prozent. In der Weimarer Republik bedeutete dies, dass Geld praktisch seine Funk­ti­on als Zah­lungs- und Wert­auf­be­wah­rungs­mit­tel verlor. Die Re­gie­rung lei­te­te eine Wäh­rungs­re­form ein und im No­vem­ber 1923 kam die Zäsur: Die Mark wurde von der Ren­ten­mark ab­ge­löst. Die Hyperinflation ent­wer­te­te voll­stän­dig alle Geldvermögen (aber auch Geld­schul­den) die auf Mark ge­lau­tet hat­ten. Die größte jemals erreichte Inflation gab es mit einer maximalen monatlichen Rate von 4,19 Billiarden Prozent übrigens 1945 und 1946 in Ungarn.

8. Welche Rolle haben die Zentralbanken?

Auf­grund sol­cher Er­fah­run­gen wurden in den ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­ten Zentralbanken geschaffen. Sie sind als un­ab­hän­gi­ge In­sti­tu­tio­nen verpflichtet, den Geldwert zu sichern und sollen eine staat­li­che Ver­ein­nah­mung der Geld­po­li­tik ver­hin­dern. Für die in­sti­tu­tio­nel­le Aus­ge­stal­tung des Eu­ro­sys­tems stand die Bun­des­bank Pate. Nach De­fi­ni­ti­on des Eu­ro­sys­tems herrscht Preis­sta­bi­li­tät, wenn der ge­mes­se­ne An­stieg der Ver­brau­cher­prei­se im Euro-Wäh­rungs­ge­biet ge­gen­über dem Vor­jahr auf mitt­le­re Sicht unter, aber nahe 2 Prozent liegt. Eine solche Preissteigerung gilt als gesund: Sie hält die Wirtschaft in Schwung.

9. Welche Länder haben 2021 die höchste Inflationsrate?

Spitzenreiter in Sachen Inflationsrate ist 2021 Venezuela – mit einer enormen Teuerungsrate gegenüber dem Vorjahr von geschätzt rund 2.700 Prozent. Auf den weiteren Plätzen finden sich laut Statista.de mit 194,6 Prozent der Sudan und Simbabwe mit 92,54 Prozent. Europäische Länder kommen in der Rangliste der Top 20 Länder mit der höchsten Inflationsrate gar nicht vor. In Deutschland wird 2021 laut der Gemeinschaftsprognose der führenden Wirtschaftsinstitute die Inflationsrate circa 3 Prozent betragen.

10. Dreht sich die Preisspirale 2022 in Europa weiter?

Der Chefvolkswirt der Europäischen Zentralbank (EZB), Philip R. Lane, gibt für 2022 Entwarnung: „Die Inflation ist derzeit unerwartet hoch, aber wir glauben, dass sie im nächsten Jahr zurückgehen wird“. Die meisten Ökonomen und auch Europas Währungshüter, deren Top-Priorität ein stabiler Euro ist, halten die hohe Inflation wegen der Sondereffekte wie steigender Energiepreise und Lieferengpässen für vorübergehend. Gefahr droht eher durch einen psychologischen Effekt, warnt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Die Angst vor steigenden Preisen könnte die Inflation zusätzlich anheizen. Gehen Verbraucher und Unternehmen davon aus, dass die Preise weiter steigen, „werden die Menschen Käufe vorziehen und höhere Löhne fordern. Die Unternehmen wiederum werden auf ihre Preise aufschlagen, wenn sie damit rechnen, höhere Löhne und höhere Erzeugerpreise zahlen zu müssen“, erläutert DIW-Ökonomin Kerstin Bernoth.

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