Corona-Pandemie und Klimaschutz

20.05.20

Corona-Pandemie und Klimaschutz

Die Corona-Pandemie macht Konjunkturprogramme und strukturelle Hilfen unerlässlich. Doch wie lassen sich wirtschaftliche Hilfen nachhaltig und für mehr Klimaschutz einsetzen?

Stille, Vogelzwitschern, klare Luft – und das mitten in der Stadt. Während der Lockdown für die Wirtschaft verheerende Folgen hat, war der erzwungene Stillstand ein Segen für die Umwelt: In Venedig ist – ohne Touristenmassen und Kreuzfahrtschiffe – das Wasser in den Kanälen plötzlich wieder klar. Und Satellitendaten der Europäischen Raumfahrtagentur zeigen, dass über Großstädten wie Paris, Rom oder Barcelona seit Anfang April die Stickstoffdioxidkonzentration deutlich gesunken ist. In Barcelona gab es sogar einen Rückgang um 65 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch in Deutschlands Ballungszentren ist die Konzentration von Stickstoffdioxid nach Daten des europäischen Erdbeobachtungssatelliten Sentinel-5P deutlich gesunken. Das schädliche Gas wird hauptsächlich von Dieselfahrzeugen, Kraftwerken und der Industrie ausgestoßen. Neue Modelle des Thinktanks Agora Energiewende halten es inzwischen für möglich, dass Deutschland die Klimaziele für 2020 erreicht. Der „Corona-Effekt“ für Deutschland könnte nach Berechnungen der Agora-Experten je nach Verlauf der Krise eine C02-Minderung von bis zu 100 Millionen Tonnen bringen.

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Klimaschutz zurückstellen?

Nach der Krise ist vor der Veränderung: Die Corona-Pandemie erhöht in Sachen Klimaschutz den Druck auf die Politik und auf Unternehmen. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass der Moment des Innehaltens nur kurzfristig war: So hat etwa die Schadstoffbelastung in China schon wieder 80 Prozent der Vor-Corona-Zeit erreicht. Zuletzt waren aus Politik und Wirtschaft zudem Forderungen laut geworden, nach der Corona-Pandemie weitreichende Bemühungen für den Klimaschutz zurückzustellen. Der tschechische Regierungschef Andrej Babis forderte die EU-Kommission auf, von der Klimaschutzstrategie abzurücken: “Europa sollte den Green Deal jetzt vergessen und sich stattdessen auf das Coronavirus konzentrieren.”

Ein grünes Konjunkturprogramm

Doch es gibt auch andere Stimmen: UN-Chef Antonio Guterres wirbt für „Green Recovery“ – ein grünes Konjunkturprogramm. Und neben Politikern, Gewerkschaftsvertretern und Nichtregierungs­organisationen fordern Unternehmen von Eon über Ikea bis zu Unilever einen „grünen Aufschwung“ nach der Corona-Krise. „Covid-19 wird den Klimawandel und die Zerstörung der Natur nicht verschwinden lassen“, heißt es in einem Aufruf, der in zahlreichen Zeitungen in Europa erschienen ist. Die Unterzeichner verpflichten sich darin, dazu beizutragen, „unsere Volkswirtschaften auf die Welt von morgen vorzubereiten.“

Vorschläge für Klimaschutz nach Corona

Notwendige Wirtschaftshilfen können die Corona-Krise abfedern und die ökologische Transformation beschleunigen – lautet die Überzeugung des „Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft“. Konjunkturmaßnahmen und Forderungen sollten dabei auf ihre langfristigen Effekte hin geprüft werden und nicht nur auf ihren kurzfristigen Beitrag, heißt es in dem Strategiebrief, den der Think Tank im Auftrag von Greenpeace erarbeitet hat.

Klimapoltisch fatales Zeichen

Beim Thema Luftverkehr bedeutet das: „Kurzfristig sollten Forderungen nach einer Verschiebung der Erhöhung der Luftverkehrsabgabe zurückgewiesen werden“, schreiben Holger Bär und Matthias Runke in dem Policy Brief (Seite 3). Ihr Argument: Nach Ende der Krise werden Flugreisen aller Voraussicht nach auf ihr Ausgangsniveau zurückkehren. „Es wäre ein klimapolitisch fatales Zeichen, wenn der Gesetzgeber jetzt die Bürger*innen de facto zu ‚mehr Flügen‘ auffordern und dringend notwendige Klimaschutzmaßnahmen aufschieben oder lockern würde.“ Gleichzeitig sei völlig klar, dass die Branche von der Krise enorm hart getroffen sei und in angemessenem Umfang gestützt werden sollte.

Mehr Geld für alternative Kraftstoffe

Langfristig gesehen sollten die Hilfsgelder mit erhöhten Investitionen in klimafreundliche Technologien verknüpft werden – zum Beispiel mit einer Erhöhung der Forschungsausgaben für alternative Kraftstoffe oder klimafreundliche Antriebe. „Beachten wir dies, so kann die Mobilisierung enormer Geldbeträge weltweit auch dazu dienen, eine ‚historische Chance‘ zu nutzen, um Wirtschaftskrise und Klimakrise gemeinsam zu bearbeiten“, schreiben Bär und Runke (Seite 3).

Langfristige Transformation

Das Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt und Energie rät in Sachen Zukunftsgestaltung ebenfalls zur Langstrecke: Die Wuppertaler Wissenschaftler haben ein Diskussionspapier mit konkreten Empfehlungen für den Klimaschutz in der Post-Coronazeit veröffentlicht, das zwischen der Gesundheitsvorsorge, der kurzfristigen ökonomischen Krisenabwehr und der langfristigen Transformation unterscheidet. Zur kurzfristigen wirtschaftlichen Unterstützung gehören beispielsweise das Kurzarbeitergeld, erleichterte Kreditvergaben sowie direkte Zuwendungen an betroffene Gruppen. Diese Soforthilfe-Maßnahmen müssten jetzt pragmatisch und schnell umgesetzt werden, aber: „Die längerfristigen Hilfsmaßnahmen müssen klare Akzente im Sinne einer nachhaltigen Gestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft setzen“, betonen die wissenschaftlichen Geschäftsführer des Wuppertal Instituts, Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick und Prof. Dr. Uwe Schneidewind.

Grüne Produktionsprozesse stärken

Zur sogenannten „langfristigen Transformation“ gehören laut Wuppertal-Institut zentrale Maßnahmen für den Klimaschutz, für die staatliche Investitionen unerlässlich sind. Dies gelte etwa dafür, die energieintensive Industrie zukunftsfest zu machen und wichtige Maßnahmen auf dem Weg hin zu einer Treibhausgasneutralität zu unterstützen. Als Beispiele nennen die Klimawissenschaftler den Umbau der Stahlerzeugung auf wasserstoffbasierte (grüne) Produktionsprozesse und das Schließen von Stoffkreisläufen im Rahmen der Kreislaufwirtschaft. „Im Gebäudebereich stehen weitere Investitionen in die Gebäudesanierung und den Austausch von Heizungssystemen an und im Verkehrsbereich die Beschleunigung des Umstiegs auf Elektromobilität“, so Fischedick und Schneidewind.

Weltweite Umweltdaten-Plattform

Für Umweltministerin Svenja Schulz (SPD) ist die Naturzerstörung die Krise hinter der Corona-Krise: „Mit zunehmender Naturzerstörung steigt das Risiko von Krankheitsausbrüchen bis hin zu Pandemien.“ Eine Million Arten sind in den kommenden Jahren und Jahrzehnten laut einem Bericht des Weltbiodiversitätsrats (IPBES) vom Aussterben bedroht. Forscher glauben, dass durch das Artensterben auch die Gefahr der Übertragung von Krankheiten von Tieren auf Menschen zunimmt – wie bei Covid-19 vermutet. Gleichzeitig gibt es zu wenig Wissen darüber, wie sich Biodiversität und Ökosysteme am effizientesten fördern lassen. Neben Forschungsprojekten an Universitäten in aller Welt, stehen auch Unternehmen mit Lösungen für eine ökologisch nachhaltige Zukunft in den Startlöchern: So entwickelt beispielsweise Microsoft mit dem „Planetary Computer“ eine weltweite Umweltdaten-Plattform. Mit Hilfe von Big Data, Machine Learning und KI sollen Wissenschaftler, Naturschützer und Regierungen komplexe Ökosysteme und Umwelteinflüsse beobachten und steuern können, teilt das US-Unternehmen mit. Microsoft hat ehrgeizige Klimaschutz-Ziele: Der IT-Konzern will bis 2030 CO2-negativ werden.

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