Wie sich die Ansprache auf die Unternehmenskultur auswirkt

21.01.20

Du oder Sie? Wie sich die Ansprache auf die Unternehmenskultur auswirkt

„Du, Chef“: Das ist einerseits Ausdruck einer neuen Lässigkeit, Firmen setzen mit dem „Du“ aber auch gezielt auf flache Hierarchien und Innovationsgeist. Experten hingegen warnen vor Fallstricken. Wie sich die Ansprache auf Unternehmenskultur und Geschäftsbeziehungen auswirkt.

Soviel „Du” war nie: Fast zwei Drittel aller Mitarbeiter in deutschen Firmen duzen Kollegen, wie die Jobbörse Stepstone in einer Studie mit der Unternehmensberatung Kienbaum herausgefunden hat. Auf das Siezen wird immer häufiger verzichtet: Nur noch drei Prozent der rund 17.000 Befragten berichten von einer reinen Siez-Kultur am Arbeitsplatz, wenngleich der Chef von der Duzerei in aller Regel noch ausgenommen bleibt. Auch in Stellenanzeigen, bei der Kundenansprache und gegenüber Vorgesetzten verdrängt das vertrauliche „Du” immer öfter das förmliche „Sie”. Nur eine Modeerscheinung? Keineswegs. Unternehmensberater und Wirtschaftspsychologen sehen vielmehr Megatrends am Werk, die die Firmenkultur der traditionell eher förmlichen Deutschen nachhaltig verändern.

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Globalisierung prägt die Firmenkultur

Die deutsche Wirtschaft wird globaler und digitaler – und damit auch im Job-Alltag jeden Tag ein bisschen internationaler. Das als weniger förmlich empfundene „you” und die aus dem Amerikanischen übernommene Anrede mit dem Vornamen bahnen sich ihren Weg in deutsche Meetings. Eine global digitalisierte Wirtschaft verlangt schnelle Entscheidungsprozesse, innovativen Geist und flache Hierarchien. Je flacher die Hierarchie eines Unternehmens, desto besser seine Innovationsleistung, so die Stepstone-Studie. Anzug oder Kostüm und Siezen wirken da fehl am Platz und werden als störende Barrieren empfunden, die sich mit einer lockeren Firmenkultur und innovativem Teamgeist schlecht vertragen. „Das Du ist ein Ausdruck der Revolution, die gerade in der deutschen Wirtschaft stattfindet”, sagt Sebastian Dettmers, Geschäftsführer bei Stepstone. In der IT-Branche, in Medienberufen und in Startup-Fabriketagen wird bereits seit Jahren geduzt. Neuer ist die um sich greifende Duz-Kultur in einigen traditionellen Branchen. Dafür gibt es einen einfachen Grund: Großkonzerne und Mittelständler müssen attraktiv bleiben, jung wirken. Sie buhlen um dieselben Mitarbeiter wie Startups. Digital natives halten nicht viel von starren Hierarchien, die im förmlichen Siezen ihren vielleicht stärksten Ausdruck finden.

Konzerne setzen auf frisches Image

„Man will sein Image aufpolieren”, erläutert Uwe Kanning, Wirtschaftspsychologe an der Hochschule Osnabrück. Der Hamburger Handelskonzern Otto war eines der ersten deutschen Großunternehmen, das sich die neue Duz-Kultur auf die Fahnen schrieb: 2016 bot die Geschäftsleitung allen gut 50.000 Mitarbeitern das „Du” an. Selbst der Vorstandschef darf seither von allen geduzt werden. Zusätzliche Hürde: Vorstandschef Hans-Otto Schrader möchte mit dem Kürzel „Hos” angeredet werden, das klinge „frischer als Hans-Otto”. Der Konzern will das Duzen indes nicht als Selbstzweck oder Marketinggag missverstanden wissen. Sondern als sichtbaren Ausdruck eines inneren Wandels, der vom Management vorgelebt werden müsse. „Vom Du ist man schneller beim Wir“, heißt es in Hamburg. Konkret: Wer seine Vorgesetzten duzt, bricht starre Hierarchien auf, traut sich auch mal, ein kritisches Wort an den Vorgesetzten zu richten.

Duzen hängt noch stark von der Branche ab

Hos steht mit seiner Duz-Kultur nicht allein: Der Chemiehersteller Merck  und die Schwarz-Gruppe (Lidl, Kaufland) verfahren ähnlich. Doch zum Duz-Land wird Deutschland damit noch lange nicht. Bei näherem Hinsehen verrät die Kienbaum-Studie nämlich auch, dass bislang nur jede dritte Fachkraft alle Kollegen und Vorgesetzten durchgängig duzt. Geduzt wird vor allem in kleineren Betrieben, hier geht es informeller zu. Und: Es hängt stark von der Branche ab. In der Metallindustrie (21 Prozent), bei Banken (20 Prozent) und im öffentlichen Dienst (15 Prozent) kommt das saloppe „Du” noch immer nicht so gut an.

Die Mehrheit bevorzugt eine Mischkultur

Der Wirtschaftspsychologe Kanning ist außerdem skeptisch, ob das ständige „Rumgeduze“ wirklich immer hilfreich ist. So könnten sich Unternehmen, die auf eine ausgeprägte Duz-Kultur setzen, etwa in Stellenanzeigen selbst schaden. High Performer fühlten sich von der kumpelhaften Ansprache oft abgeschreckt, weil Duz-Firmen zwar als mitarbeiterorientiert, aber auch als weniger professionell und leistungsfähig wahrgenommen würden. „Darum muss der Arbeitgeber sich gut überlegen, welche Mitarbeiter er sich ins Haus holen möchte”, warnt Kanning. Eine Online-Umfrage seines Lehrstuhls unter 1.300 Studierenden bestätigt das: Weniger als die Hälfte der angehenden Akademiker will im Berufsleben geduzt werden. Die große Mehrheit bevorzugt eine Mischkultur, bei der jeder selbst entscheiden kann, wen er wie anspricht.

„Sie“ signalisiert Respekt

Das „Sie” hat schließlich auch Vorteile: Es erzeugt eine professionelle Distanz. Es signalisiert Respekt und Wertschätzung. Und viele Menschen fühlen sich wohler dabei, mit einem höflichen „Sie” Privates und Berufliches zu trennen. Eine nicht zu unterschätzende Schutzfunktion kommt hinzu: Wer sich von Chefs und Kollegen nicht wahllos duzen lässt, gerät auch nicht so schnell in die Gefahr falscher Kumpanei, künstlicher Nähe und unangebrachter Vertrautheit. Wer das „Du” überlegt und selektiv einsetzt, verringert das Risiko für persönliche Streits, Beleidigungen und klebrige Annäherungsversuche von Vorgesetzten, die ihre Macht missbrauchen.

„You“ nicht mit „Du“ verwechseln

Grundsätzlich gilt bei allem voranschreitenden Kulturwandel unverändert, was das Beratungsportal Karrierebibel.de jedem Arbeitnehmer ins Stammbuch schreibt: „Höflichkeit ist eine Haltung. Das ‚Sie‘ versucht, dem Gegenüber Wertschätzung und Respekt zu vermitteln. Über solche Konventionen kann man sich nur hinwegsetzen, wenn die Grundhaltung erkennbar bleibt.“ Anders ausgedrückt: Im Job gibt es immer ein „Du“ und ein „Du“. Wer sich fürs Duzen entscheidet, sollte sich im Klaren darüber sein, dass die sprachliche Nivellierung durch ein fein differenziertes System von Mimik, Körpersprache und Betonung abgelöst wird. Genau wie im Englischen: Das „you” ist eben keineswegs immer ein vertrauliches „Du”, sondern ein Sammelbegriff, der etymologisch dem „Sie” und dem „Ihr” näher steht als dem „Du”. Im Job sollte das „Du” übrigens nach wie vor nur von einem Ranghöheren angeboten werden. Und, ganz wichtig: Ist das „Du” einmal in der Welt, ist ein Zurück zum „Sie” meist tabu. Michael Kastner, Leiter des Instituts für Arbeitspsychologie und Arbeitsmedizin (IAPAM) in Herdecke empfiehlt deshalb im Berufsleben stets eine gesunde Halbdistanz: „Ob ich Sie Arschloch oder Du Arschloch sage, macht einen Unterschied.“

„Gerne per Du“

Wer im Job lieber geduzt werden will, hat eine einfache Möglichkeit, das zum Ausdruck zu bringen: Mit der Verwendung des Hashtags #gernperDu in der E-Mail-Signatur signalisiert man dem Gegenüber unverbindlich, dass man eine zwanglose Anrede bevorzugt. Ignoriert der Gesprächspartner das Angebot, ist das auch okay. #gernperDu ist eine Initiative, um Kollegen und Geschäftskontakten das „Du“ anzubieten. gernperdu.de

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