Bausparvertrag: Spießig oder spannend?
Bausparer:innen sind brav, irgendwie spießig. Soweit das Klischee. Hohe Inflation und steigende Zinsen machen den Bausparvertrag wieder attraktiv – oder?
Alles wird teurer. Auch das Bauen: Für Bauvorhaben sind die Preise im vergangenen Jahr um durchschnittlich 6 Prozent gestiegen. Im Vergleich zum Vorjahr war das die stärkste Verteuerung der letzten 20 Jahre. Und 2022 dürfte nicht anders werden, rechnet der Zentralverband des deutschen Baugewerbes vor. Erwartet wird eine Steigerung der Baupreise von rund 4 Prozent. Besonders krass zeigte sich der Preisanstieg im Februar 2022 bei Zimmer- und Holzbauarbeiten. Diese haben sich im Vergleich zum Vorjahresmonat um rund 34 Prozent verteuert, wie eine Statista-Grafik auf Basis von Daten des Statistischen Bundesamtes zeigt.

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Baugeld wird teurer – Ende nicht in Sicht
Vor allem wegen der Inflation wird auch seit Anfang des Jahres das Baugeld teurer. Zuletzt haben Vergleichsportale wie die FMH Finanzberatung die stärksten Zinssprünge bei Hypothekenzinsen seit Jahren verzeichnet. Derzeit liegt der Zins für zehnjährige Standardkredite im Schnitt bei 2,12 Prozent, vor fünf Monaten hatte der Vergleichszins noch bei 0,9 Prozent gelegen. Damit haben die Zinsen für Baukredite laut Max Herbst, Gründer der FMH Finanzberatung, den höchsten Sprung seit 1999 vollzogen. Das war noch nicht das Ende, gibt sich der Finanzexperte gegenüber Tagesschau.de überzeugt: „Wir erwarten, dass die Hypothekenzinsen für zehnjährige Finanzierungen in den Sommermonaten auf drei Prozent steigen.“ Und während viele Bauherr:innen bangen, ob sie sich das geplante Traumhaus überhaupt noch leisten können, stellt sich gleichzeitig die Frage, ob sich der gute alte Bausparvertrag in Zeiten steigender Bauzinsen wieder lohnt. Aber erstmal einige Bauspar-Basics:

Wie funktioniert das Bausparen?
„Klassischerweise funktioniert das Bausparen nach diesem Schema: erst sparen, dann bauen. Es kombiniert also einen Sparplan mit einem Darlehen“, erklärt die T-Online-Finanzredakteurin Christine Holthoff. Die Zinsen sind für beide Phasen vorher festgelegt. Während der Sparphase bedeutet das, dass Bausparer:innen weniger Zinserträge als bei anderen Formen der Geldanlage erwarten können. Dafür koste das Darlehen in der zweiten Phase dann später weniger, so Holthoff.

Für wen eignet sich ein Bausparvertrag?
Einen Bauernhof in Eigenregie renovieren oder lieber zur Miete im Neubau wohnen. Ob ein Bausparvertrag das Richtige ist, hängt zum einen davon ab, wie die Zukunftspläne in Sachen Eigenheim so aussehen. Wichtig ist aber auch, wie die Angebote der Bausparkassen aussehen, wie hoch das jeweilige Einkommen ist und auch das Alter spielt eine Rolle.
Den für die individuelle Situation passenden Bausparvertrag kann man beispielsweise über den Bausparvertrag-Rechner von Stiftung Warentest ermitteln. „Zwischen günstigen und teuren Bausparverträgen klaffen oft Unterschiede von mehreren Tausend Euro“, so die Expert:innen der Stiftung.
Auch die Frage, ob man von staatlichen Förderungen profitieren kann, ist ein entscheidendes Kriterium. Dazu zählen:
- Vermögenswirksame Leistungen (VL)
- Arbeitnehmersparzulage
- Riester-Förderung
- Wohnungsbauprämie

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Wer ist förderberechtigt für die Wohnungsbauprämie?
Förderberechtigt sind:
- Bausparer:innen in Deutschland ab 16 Jahren
- alle Menschen, die unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind
- diejenigen, deren Einkommensgrenze einen Wert von 35.000 Euro bei Singles beziehungsweise 70.000 Euro bei Verheirateten oder Paaren in eingetragener Lebenspartnerschaft nicht übersteigt
Laut § 2 des Wohnungsbau-Prämiengesetzes kann man sich die Wohnungsbauprämie auszahlen lassen, wenn das im Bausparvertrag angesparte Geld für „wohnwirtschaftliche Zwecke“ verwendet wird. Bedeutet: Neben einem Hauskauf oder dem Erwerb einer Eigentumswohnung fallen auch Renovierungsarbeiten am Eigenheim in den Geltungsbereich der Prämie, erläutert Bausparexperte Michael Seeger von der LBS West.

Bauspardarlehen: Eine gute Idee?
Bauherr:innen wird statt einem sogenannten Volltilgerdarlehen oft eine Kombi aus Bank- und Bauspardarlehen zur Baufinanzierung vorgeschlagen. Statt den Bankkredit zu tilgen, spart man dabei einen Bausparvertrag an und löst nach dessen Zuteilung damit das Bankdarlehen ab, erklärt die FMH Finanzberatung. Vorteil dabei: Wer eine Immobilie nicht über einen reinen Bankkredit, sondern über eine Mischung aus Bankkredit und Bauspardarlehen finanziert, braucht für die gesamte Finanzierung weniger Geld von der Bank. Der Nachteil: Banken oder Bausparkassen müssen laut Gesetz nicht den Gesamt-Effektivzins des Kombikredits nennen, sondern nur jeweils den Effektivzins für die Einzeldarlehen – eine mögliche Kostenfalle. Tipp: Ein Gesamt-Effektivzinsrechner, zum Beispiel von FMH, verschafft einen besseren Überblick über die zwei Darlehen.

+ Pro:
Ein Bausparvertrag sichert niedrige Zinsen und ist damit quasi eine Versicherung gegen steigende Zinsen. Aktuell liegt die Inflationsrate in Deutschland bei mehr als sieben Prozent und auch die Bauzinsen entwickeln sich im Expresstempo nach oben. „Rund zwei Drittel der Verbraucher gehen davon aus, die Zinsen werden in den nächsten drei Jahren weiter steigen“, sagt Bernd Hertweck, Vorstandsvorsitzender der Bausparkasse Wüstenrot in einem Interview des Südwestrundfunks (SWR). „Und daher ist die Absicherung gegen steigende Zinsen das Gebot der Stunde – da spricht viel für die Attraktivität des Bausparkontos“, betont der Chef der vor rund 100 Jahren gegründeten und damit ältesten Bausparkasse Deutschlands.
Ein weiteres Plus ist, dass 2021 die Einkommensgrenzen und die staatliche Wohnungsbauprämie selbst gestiegen sind – damit wird Bausparen für viele Sparer:innen attraktiver, urteilt die Stiftung Warentest. Mit der verbesserten Wohnungsbauprämie werden jährlich maximal 700 Euro bei Alleinstehenden und 1.400 Euro bei Paaren gefördert – bislang waren es 512 Euro und 1.024 Euro. Als Wohnungsbauprämie erhalten Bausparer:innen nun 10 Prozent (zuvor 8,8 Prozent) auf die eingezahlten Beiträge.

- Contra:
Zuletzt hatten die 18 Bausparkassen, die es laut Statista in Deutschland noch gibt, unter der langanhaltenden Niedrigzinsphase gelitten. Die zehn privaten und acht öffentlichen Institute hatten wegen ihrer zum Teil sehr restriktiven Vorgehensweise gegen Altkunden und Kundinnen für Unmut gesorgt. So hatten die Bausparkassen in den vergangenen Jahren unter anderem alte Verträge – meist mit hohen Guthabenzinsen – gekündigt. Ein Vorgehen, das in vielen Fällen nicht rechtmäßig war. Die Verbraucherzentrale Bundesverband übte daran heftige Kritik. Sie stellt „die gängigsten Maschen vor, mit denen Bausparkassen alte Verträge loswerden wollen“ und gibt Ratschläge, wie man sich dagegen wehren kann.
Außerdem ist zu beachten, dass der Bausparvertrag die niedrigen Zinsen nur für einen kleinen Teil der Bausumme und meist lediglich für eine kurze Laufzeit garantiert, warnen Verbraucherschützer:innen. „Ein Haken ist, man hat erstmal einen Haufen Kosten und ob es sich tatsächlich rechnet oder nicht, weiß man ja erst in Zukunft, in sieben Jahren.“ Der zweite Haken: „Wenn dann die Zinsen steigen, dann ist die Frage, ist das Finanzierungsvorhaben dann insgesamt überhaupt noch machbar“, gibt Niels Nauhauser, Baufinanzierungsexperte von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg im SWR zu bedenken.

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